Warum ist es uns so wichtig, „gut gekleidet“ zu sein oder Kleidung bestimmter Marken zu tragen? Warum stecken wir so viel Zeit und Geld in Kosmetik, Schmuck und andere Statussymbole? Warum lächeln wir oft, selbst wenn uns nicht danach ist? All das tun wir, weil wir glauben, dass es unser Bild in den Augen anderer verbessert – dass wir dadurch einen positiven Eindruck hinterlassen. Diese Annahme ist berechtigt, denn Menschen bilden ihren ersten Eindruck von anderen stark anhand äusserlicher Merkmale.
Ein zentraler Faktor dabei ist der sogenannte Halo-Effekt. Er beschreibt das Phänomen, dass eine hervorstechende Eigenschaft – wie etwa eine sympathische Ausstrahlung oder Kompetenz – dazu führt, dass wir die gesamte Person in einem positiveren Licht sehen. Sobald wir einmal einen positiven Gesamteindruck gewonnen haben, tendieren wir dazu, auch andere Eigenschaften der Person positiv zu bewerten (Murphy et al. 1993; Nisbett und Wilson 1977; Thorndike 1920). Dieser Effekt ähnelt dem Betrachten eines Gemäldes, bei dem das Gesamtbild wichtiger erscheint als die einzelnen Details. Wenn wir dann aufgefordert werden, einzelne Aspekte einer Person zu beurteilen, geschieht dies nicht isoliert, sondern beeinflusst vom Gesamteindruck.
Dieses Vorgehen ist oft sinnvoll, besonders bei Personen, die wir noch nicht gut kennen. Doch es kann auch zu Fehlurteilen führen, besonders wenn die verschiedenen Aspekte unabhängig voneinander sind. So werden attraktive Menschen häufig als intelligenter eingeschätzt, obwohl es keinen direkten Zusammenhang zwischen diesen Merkmalen gibt.
Der Halo-Effekt zeigt sich in vielen praktischen Situationen. Bei der Bewertung von Dozenten zum Beispiel kann er dazu führen, dass eine einzelne hervorstechende Eigenschaft das gesamte Urteil verzerrt (Feeley 2002). Ein Dozent, der seine Vorlesung didaktisch gut gestaltet, wird oft auch als kompetenter und respektvoller wahrgenommen, selbst wenn das nicht in allen Bereichen zutrifft (Keeley et al. 2013).
Auch bei der Personalauswahl tritt der Halo-Effekt auf. In einer Laborstudie wurden bei durchschnittlichen Lebensläufen eher attraktive Kandidaten zu Vorstellungsgesprächen eingeladen und erhielten höhere Einstiegsgehälter als weniger attraktive Bewerber (Watkins und Johnston 2000).
💡 Bonus-Fakten
Beim Online-Dating spielt der erste Eindruck eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz zu sozialen Netzwerken wie Facebook, wo die Selbstdarstellung oft authentischer ist, präsentieren sich Menschen auf Dating-Plattformen häufig in einem geschönten, idealisierten Licht. Eine Studie zeigte, dass 81 % der Nutzer mindestens eine Angabe zu Gewicht, Größe oder Alter geschönt hatten – Männer stellten sich etwas größer dar, Frauen etwas leichter. Diese Anpassungen waren jedoch so subtil, dass sie bei einem persönlichen Treffen kaum auffallen würden.
Bonusfrage: Was ist ein sogenannter “First Impression Error” ?
Antwort: Tendenz, eine andere Person aufgrund des ersten Eindrucks zu beurteilen, den wir von ihr haben.
🧠 Das Wesentliche: Der Halo-Effekt ist, wenn eine positive Eigenschaft einer Person dazu führt, dass wir auch ihre anderen Merkmale automatisch positiver wahrnehmen.
Autorenhinweis: Der Inhalt dieses Beitrags wurde nur minimal verändert und bleibt weitestgehend dem Original treu.
Author: Benjamin Duthaler
Quellen:
Murphy, K. R., Jako, R. A., & Anhalt, R. L. (1993). Nature and consequences of halo error: A critical ana- lysis. Journal of Applied Psychology, 78, 218–225.
Nisbett, R. E., & Wilson, T. D. (1977). The halo effect: Evidence for unconscious alteration of jud- gments. Journal of Personality and Social Psycho- logy, 35, 250–256.
Thorndike, E. L. (1920). A constant error in psycho- logical ratings. Journal of Applied Psychology, 4, 25–29.
Feeley, T. (2002). Evidence of halo effects in student evaluations of communication instruction. Com- munication Education, 51, 225–236.
Keeley, J. W., English, T., Irons, J., & Henslee, A. M. (2013). Investigating halo and ceiling effects in student evaluations of instruction. Educational and Psychological Measurement, 73, 440–457.
Harari, H., & McDavid, J. W. (1973). Name stereotypes and teachers’ expectations. Journal of Educational Psychology, 65, 222–225.Watkins, L. M., & Johnston, L. (2000). Screening job applicants: The impact of physical attractiveness and application quality. International Journal of Selection and Assessment, 8, 76–84.